06. Juli bis 19. Juli

Felix findet am Sonntagmorgen ein Zeitfenster, da die Überquerung des Markermeers einigermassen passabel sein wird. Um 11:00 heisst es Leinen los. Leichter Regen fällt. Die Wellenrichtungen bewirken mehrmals eine Kursänderung. Nach 2,5 Stunden fahren wir in das Navidukt Krabbersgat ein und dann in den Stadthafen von Enkhuizen, fast an die gleiche Stelle wie vor einer Woche.

Navidukt Krabbersgat / Den Gästen auf dem Hotelschiff stört der Regen nicht.


Der Countdown für uns und MY De Swel läuft. Wiederum passieren wir das Navidukt Krabbersgat und biegen ab zum De Gier Yachtservice. Wir sind gespannt wie eine Feder. Der Firmeninhaber Henk De Gier zeigt uns die Werkstatt und die Malerei. Sie wirken sauber und aufgeräumt. MY De Swel wird begutachtet. Henk zählt auf, wie eine Ganzlackierung vonstattengeht und welche Vorbereitungen nötig sind. Mich dünkt, sie nehmen keine Ende. Wir kehren zurück zum Stadthafen, besprechen, was Sache ist und entscheiden uns für ein Revit bei De Gier Yachtservice.

Am nächsten Tag erwartet uns Henk um 08:00 Uhr. Pünktlich treffen wir mit unseren Rädern auf dem Gelände ein. Er und seine Frau meinen: »Sie sind aber früh hier«. Die Niederländer nehmen es mit der zeitlichen Abmachungen nicht so genau. Henk erörtert die Positionen der Offerte.

De groot Jachtschilders/ Ein neues Boot erhält seine Anstriche.

Vorplatz De Gier Jachtservice

Zudem bietet Henk uns an, sein Geschäftsauto zu benutzen, um die Klappräder und die Persenning in Franses Werkstatt in Leeuwarden und unser Fahrzeug in Sneek abzuholen. Dies erspart uns eine Bahnfahrt von 4,5 Stunden. 

Wir fahren sofort los über den Markermeerdeich und erreichen die Stadt Leeuwarden in 1,5 Stunden. 

Am Abend kommen wir ziemlich ausgelaugt wieder in Enkhuizen an und stellen die Fahrzeuge auf dem Parkplatz beim Bahnhof ab. Alles ist wie geplant verlaufen. Anderntags bringen wir das Geschäftsfahrzeug zurück. Unser Fahrzeug kommt in die riesige Bootshalle von De Gier.

Der Schlag von Enkhuizen nach Volendam im  Markermeer ist friedlich. Ich setze mich auf den Bug. Die Sonne lacht mir ins Gesicht. Felix bleibt am Steuer. Im Gästehafen legen wir an und haben eine freie Aussicht aufs Meer und auf die unzähligen Touristen auf dem Damm.

Wir streifen durch die verwinkelten Gassen von Het Doolhof. Die ehemaligen Fischerhäuschen sind gepflegt, Blumen in Kübel stehen vor mancher Haustür, Nippes zieren die Fenster und kleine Brücken führen über die schmalen Grachten.

Jedes Jahr strömen über eine Million Touristen ins Städtchen, das ca. 22’500 Einwohnern zählt. Sie schlendern vor allem auf dem Damm mit den Souvenirläden, Cafés, Imbissbude und anderes mehr oder warten in einer langen Schlange geduldig, bis sie in ein Fahrgastschiff einsteigen können. Es fährt zur Insel Marken und zum Städtchen Monnickendamm. Am Abend verwandeln sich einige Cafés in Bars und arten zum Ballermann aus. 


Der Deich wird von Grund auf erneuert und verstärkt mit Rücksicht auf die Natur – ein gigantisches Projekt. Altes und neues Material werden über den Wasserweg transportiert. Der Deichbau mit den notwendigen Pausen dauert ungefähr drei Jahre.

Der Deich im Bau li. und unten der zukünftige Deich, bei einer Info-Tafel gesehen.


Drei Tage Aufenthalt im Hafen Volendam reichen. Felix steuert das Boot in südlicher Richtung im Markermeer. Das Ziel ist die grösste Pfahlsiedlung der Welt. Nach zwei Stunden erreichen wir sie, nämlich Amsterdam. Ich bereite das Boot vor für den Schleusengang in der Oranje Schleuse und für das Anlegen im Sixhafen. Ein Junge im Schlauchboot weist uns einen Platz zu. Am Nachmittag spazieren wir in der Prinzengracht entlang. Was bei einem Besuch dazugehört, ist ein Glass Wein auf einer Terrasse am Wasser zu geniessen und dem Treiben zu zugucken.

Mit dem Bus fahren wir zum Tropenmuseum. Seit 2023 ist der Name umgewandelt in Wereldmuseum. Uns interessiert vor allem die Sklaverei und Kolonialismus. Auf drei Etagen behandeln Expositionen aktuelle und gesellschaftliche Themen aus den tropischen und subtropischen Regionen und insbesondere aus den ehemaligen niederländischen Überseegebieten. 

Die Themen werden teils durch aufwendige und künstlerische Installationen dargestellt. Sie sind manchmal nicht leicht verständlich. Die Ausstellung, wie der Kolonialismus die heutige Welt geprägt hat und wie die Menschen den Kolonialismus ertragen haben, ist eindrücklich, ebenso die Auseinandersetzung der Sklaverei. 1517 erhielt Holland das Recht, mit Sklaven zu handeln – als letzte europäische Nation schaffte das Land den Sklavenhandel 1863 ab.

2016 und 2019 besuchten wir die Grachtenstadt.

Auf dem Wasserweg von Amsterdam nach Muiden, begegnet uns die kleine Insel ‚t Hooft. Felix brennt es unter den Fingernägeln, den Tag und die Nacht in der Natur zu verbringen. So komme ich unverhofft dazu, die Wäsche an die frische Luft zu hängen.

Die Poller an der Anlege sind unstabil. Felix schlägt Nägel ein, um das Boot optimal zu sichern.

Die Behaglichkeit auf dem Deck nimmt für Felix ein jähes Ende. Der Teppich beim Durchgang zur Eignerkoje ist feucht. Dazu schlägt die vordere Bilgepumpe Alarm – schnell den Teppich entfernen und das nasse Brett abheben. Das Wasser spritz aus einer neuen Leitung. Die Bride hat sich gelöst. Die Bilgepumpe, zuständig für den Heckbereich, ist nicht angeschlossen worden. Beim Ersetzten aller Wasserschläuche des Bootes während der Winterzeit, ging sie vergessen. Sie hätte das Wasser schöpfen müssen. Die Situation ist so ärgerlich! Felix entfernt stundenlang das Wasser in der Bilge vom Heck bis zum Bug in mühsamen Körperstellungen. Am Abend schmerzt sein Rücken.  Die Nacht ist ungemütlich. Die Wellen schlagen heftig an die Bordwand.

Am Morgen verlassen wir die Insel ‚t Hooft. Ein neues Fahrwassergebiet beginnt für uns, nämlich die 40 Kilometer lange Vecht. Sie fliesst teils kanalisiert und teils naturbelassen in zahlreichen Kurven von der Stadt Utrecht bis nach Muiden, wo sie in ein Randsee des IJsselmeers mündet.

Im Mittelalter spielte die Vecht eine bedeutende Rolle als Wasserstrasse. Sie verband die Zuiderzee, über die der Zugang zur Nordsee und dem Rhein möglich war. Städte wie Dorestad und später auch Utrecht erlangten durch den Handel, entlang dieses Flusses, grossen wirtschaftlichen Aufschwung.

Regenschauer und Aufhellungen wechseln sich ab. Wir wollen ein Hafen in der Vecht aufsuchen. Die Schleuse in Muiden regelt den Wasserstand zwischen dem Fluss und dem IJsselmeer.

Im Yachthafen Muiden sind anscheinend alle Plätze belegt – das heisst weiterfahren und bei Regen Zugbrücken passieren. Im übersichtlichen Hafen des Wassersportvereins De Vecht in Weesp wird uns ein Platz zugewiesen. Am nächsten Tag kehrt das Sommerwetter zurück.

Weesp entwickelte sich ursprünglich als Grenzfestung zwischen der Grafschaft Holland und dem Hochstift Utrecht und wurde im Mittelalter endgültig Teil von Holland. Später erhielt die Stadt das Stadtrechte und gewann als Verteidigungspunkt an Bedeutung. Nachdem ein Angriff der Franzosen abgewehrt werden konnte, wurden die Festungsanlagen weiter ausgebaut. Im 18. Jahrhundert entstand in Weesp Hollands erste Porzellanmanufaktur, deren Produktion später in eine andere Region verlagert wurde. Über viele Jahrzehnte prägte zudem eine bekannte Schokoladenfabrik das wirtschaftliche Leben der Stadt, bevor diese schloss und die Marke weiterzog.

Trotz der Eingliederung 2022 in die Gemeinde Amsterdam hat Weesp ihren eigenen Charakter bewahrt. Cafés, kleine Läden, Galerien und Anlegestellen für Boote beleben die Innenstadt.

Heute radeln wir durch die weite, flache Landschaft und legen einen Zwischenstopp bei einem historischen Fort an der alten Wasserverteidigungslinie ein, die sich über 200 Kilometer erstreckte. Insgesamt entstanden rund 100 solche robusten Bauwerke, die einst zur Landesverteidigung dienten. Die Strategie war raffiniert: Grosse Landflächen wurden knietief überflutet – zu tief, um sie zu Fuss oder mit Pferden zu durchqueren, und gleichzeitig zu flach für Boote. So blieben die Feinde auf Distanz.


Nach drei Tagen Aufenthalt im Hafen des Wassersportvereins De Vecht ziehen wir weiter in ein besonderes Gebiet, in die Spiegelplas und die Blijkpolderplas. Eine Schleuse riegelt sie von der Vecht ab.

Die Spiegelplas und die Blijkpolderplas bilden gemeinsam ein Gewässer. Einige Stellen sind bis zu 45 Meter tief. Ursprünglich war das Gebiet ein Niedermoor, das zunächst durch Torfabbau und später durch Sandgewinnung geformt wurde. Das Gebiet erstreckt sich über 280 Hektar und steht unter Naturschutz.

Von den Anlegestellen (rot markiert) ist das Ufer nicht erreichbar. Unser kleiner Hund muss halt schon mal, deshalb fahren wir in den Hafen des Wassersportvereins De Spiegel. Hier ist ruhig und gemütlich.

Fährmann hol mal rüber! Ich warte mit dem Fahrrad auf der anderen Seite.

Übrigens!
Am 27. April, dem Königstag, feiert ganz Niederlande seinen Nationalfeiertag. Überall im Land kleiden sich die Menschen in leuchtendem Orange – als Zeichen ihrer Verbundenheit mit dem Königshaus Oranje-Nassau. Der Name des Königshauses geht auf das französische Fürstentum Oranien zurück, und dieser Ursprung spiegelt sich im traditionellen Festtagsorange wider.