Felix hat die Idee mit dem Fahrrad zum Flohmarkt Waterlooplein zu fahren. „Meine Güte, nein, nicht mit mir!“, rufe ich entsetzt aus. Der Radfahrverkehr im Stadtzentrum ist mir zu rasant und ich habe grossen Respekt vor ihm. Von der Centraal Station Amsterdam ist der Markt nur 1,5 km entfernt. „Wer eine Stadt auskundschaften und will, sollte dies zu Fuss tun“, überzeuge ich Felix.

Wir packen unsere Rucksäcke und marschieren zur Fähre, die uns zur Centraal Station bringt. Den Weg zum Waterlooplein finden wir auf Anhieb. Der Flohmarkt ist täglich geöffnet. Gebrauchte Kleider und Schuhen liegen an einem Haufen auf dem Boden. An einem Ständer hängen Skioveralls, wie sie in 90er Jahren getragen wurden. Wer wird die wohl kaufen? Viel Ramsch wird angeboten. Auf der anderen Seite des Marktes ist alles ordentlich sortiert und ausgestellt. Am Cannabisstand reizt uns ein Cannabiseis. Es entspricht nicht unserer Erwartung. Sein Geschmack ist fade.

Nun wenden wir uns einem trüben Kapitel zu. Wir schreiten zum Judenviertel, das eigentlich schon längst keines mehr ist. Von den 80’000 Amsterdamer Juden waren nach dem Krieg nur noch 5’000 am Leben.

Das Joods Historisch Museum ist in einem, der vier nicht mehr benutzen Synagogen untergebracht. Es gibt einem einen Einblick in die jüdische Geschichte Religion, Zionismus, Verfolgung und Überleben in der Zeit des Nationalsozialismus. Mittels eines Audioguides werden uns die Ritualgegenstände in der Synagoge erklärt. Zum Schluss besichtigen wir die Installation KABALA. Sie beinhaltet die mystische Tradition des Judentums und die überlieferten Lehren und Schriften. Die Installation ist schwierig zu begreifen.

Warum lebten in Niederlande so viele Juden?
In europäischen Ländern wurden Andersdenkende mit aller Schärfe verfolgt. Ende des 16. Jh. flohen die ersten jüdischen Flüchtlinge aus Portugal, Deutschland und Polen. Die Juden fanden in der toleranten Niederlande eine neue Heimat. Sie wurden vollständig integriert. Die Tora wurde ins Niederländisch übersetzt, weil sich die Obrigkeit ein Bild über die jüdische Religion machen wollte.

Juden im 2. Weltkrieg
„Für die Deutschen gibt es in den Niederlanden keine Judenfrage !“, hiess es zunächst von deutscher Seite. Doch im Herbst 1940 begangen die Schikanen gegen die jüdische Bevölkerung. Im Februar 1941 wurden über 400 Juden in KZ Mauthausen deportiert. Tausende Amsterdamer protestierten gegen die Judenverfolgung. Die deutschen Besatzer erschossen kurz darauf vier Streikende.

Der Widerstand gegen die Juden kippte. Viele Polizisten und Beamte zeigten sich bei der Verhaftung von Juden übereifrig. Die niederländische Bahngesellschaft liess sich für die Transporte gut bezahlen. Nicht wenige Amsterdamer Bürger versteckten unter Lebensgefahr Juden in ihren Wohnungen, teils aus Solidarität oder um an das Geld der Verfolgten zu gelangen. Rund 100’000 Juden in 98 Zügen wurden aus Niederlande deponiert, mehr als aus jedem anderen westeuropäischen Land.

Nachdenklich verlassen wir das Museum. Das Holocaust Museum, ebenfalls in einer Synagoge, besuchen wir nicht. Es reicht für heute.

Wir mischen uns unter die unzähligen Touristen aus allen Herrenländern, spazieren Grachten entlang, schauen Strassenkünstlern auf dem Begegnungsplatz Dam  zu, geben acht beim Überqueren von Radstreifen und kehren zum Sixhafen zurück.