08. – 14. Juli
Exakt um 08:00 klopft ein Mechaniker von der Kuhnle Werft an die Bootswand. Mit Schmiermittel, einer langen Stange und der Wirkung des Hebelarms löst sich die Kupplung der Ankerwinde. Ein schnelles Absenken des Ankers ist in Notsituationen wichtig.
Es ist regnerisch. Wir steuern nördlich in der Müritz hoch und westlich durch den Kölpinsee und Fleesensee. Dann fahren wir südlich im Malchower See zur Stadt Malchow. Vor der Schwenkbrücke liegen fünf Boot aneinandergereiht. Da stimmt was nicht! Die einten Boote warten seit zwei Stunden auf den Durchlass. Die Öffnungsmechanik ist defekt. Wir haben Glück, denn nach 15 Minuten schwenkt die Brücke zur Seite. Kinder winken. Felix lässt die Hupe von unserem Boot ertönen zu ihrer Freude. Am Schluss des heutigen Törns fahren wir westlich im Plauer See zum Stadthafen Plau. Eine Übernachtung ist eingeplant.
Ab der historischen Hebebrücke der Stadt Plau beginnt für uns ein neues Terrain. Wir fahren talwärts auf der Elde (Müritz-Elde-Wasserstrasse). In der DDR-Zeit war sie ein wichtiger Transportweg. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands und dem Zusammenbruch der Industrie in der Elde-Region verlor die Wasserstrasse ihre Bedeutung für die Frachtschifffahrt. Alte Speicher aus rotem Backstein zeugen von vergangener Zeit. Einige zerfallen in sich und einige sind zu neuem Leben erweckt worden.
Bis Lübz durchlaufen wir drei Schleusen. Beim Steg des Stadtparks Lübz dürfen wir für eine Nacht bleiben. Der Schleusenwärter erlaubt uns dies. Vermutlich will er um 18:00 Feierabend machen. Boote sind eh keine mehr unterwegs. Der Duft von Hopfen und Malz schwängert die Luft. Die mecklenburgische Brauerei Lübz ist im gepflegten Städtchen ansässig.
Bei kühlem und nassem Wetter passieren wir um neun Uhr die Lübzer Schleuse. Wenige Boote sind unterwegs. Bereits am frühen Nachmittag haben wir die Stadt Parchim erreicht. Am Wasserwanderrastplatz Fischerdamm legen wir an und marschieren ins Stadtzentrum. Rund um den Marktplatz gruppieren sich gotische Backsteinbauten und Fachwerkkunst. Bei der Rückkehr entdecken wir die MY Victoria. Ein Wimpel vom SSK flattert wie bei unserem Boot im Wind. Christa und Werner steigen aus. Das überraschende Aufeinandertreffen wird am Abend bei einem Glas Wein gefeiert.
Zeitig am Morgen passieren wir alleine die Schleuse Parchim und die Schleuse Garwitz ebenso. Im Elde-Dreieck verlassen wir die Elde, fahren im geraden Störkanal und weiter im unruhigen Schweriner See. Im Schweriner Seglerverein Hafen suchen wir einen Platz. Die Gästeplätze sind besetzt. Wir dürfen nirgends anlegen. Es ist alles privat. Wir sind erregt und auch uneinig. Vor dem Klub- und Gasthaus des Seglervereins, das mich an die Seebäder an der Ostküste von Usedom erinnert, sind weitere Gaststege. Sie sind alt und unkomfortabel. Hier legen wir an und beruhigen uns. Das Boot bewegt sich im Wind, die Leinen knarren, gewohnte Geräusche für unsere Ohren.
Gemütlich bummeln wir durch die Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern. Sie ist die kleinste Landeshauptstadt Deutschlands. Die historischen Bauten werden gepflegt und renoviert. So bleibt das Stadtbild erhalten. Beim Besuch des Doms spielt jemand auf der imposanten Orgel. Auf dem Marienplatz bieten Töpfer und Töpferinnen ihre handgefertigten Produkte an, klassische und künstlerische. Mir gefällt manch ein Stück, schaue sie aber nur an. Die kleinen Läden im Zentrum führen erlesene Mode, Schmuck, Schuhe und anders mehr an. Beim Bahnhof haben sich die üblichen Einkaufshäuser etabliert, die in jeder Stadt anzutreffen sind.
Wohl kaum ein Bauwerk in Mecklenburg-Vorpommern lockt täglich unzählige Besucher an wie das Schweriner Schloss. Reizvoll ist es eingebettet in eine malerische Seen- und Parklandschaft. Der heutige Bau entstand 1845 bis 1857 als Residenz der Grossherzöge von Mecklenburg-Schwerin. Mehrere Gebäude des Vorgängerschlosses aus dem 16./17. Jahrhundert wurden in den Neubau einbezogen. Die Fundamente sind allerdings viel älter. Erste Erwähnung stammen von 973 und 1018. Wir streifen durch die prunkvollen Wohn- und Gesellschaftsräume. Durch eine Scheibenwand können wir in den neuen zeitgemässen Plenarsaal des Landtags blicken. Die Orangerie beherberg eine Gastwirtschaft für hungrige und durstige Besucher/innen.
Wir fahren zurück zum Eldedreieck und weiter in der Elde (Müritz-Elde-Wasserstrasse). Fünf Schleusen sind zu bewältigen bis zur Stadt Garbow. Mitte Nachmittag kommen wir bei der Hebebrücke in der Stadt Garbow an. Sie sollte um 16.30 geöffnet werden. Doch der Verkehr rollt weiter über die Brücke. Wahrscheinlich hat uns die Überwachungskamera nicht erfasst. Felix sucht die Gegensprechanlage. Er findet keine. Warten weiter bis 18.00, nichts geschieht. Ich begebe mich auf die Suche und finde sie 20 Meter vor der Brücke entfernt. Die Gegensprechanlage funktioniert nicht. Darunter ist die Telefonnummer des Wasseramtes in Parchim angeschlagen. Das haben wir beim Vorbeifahren übersehen. Felix ruft das Wasseramt an. Die nächste Öffnung fällt auf 19.00 Uhr. Nichts geschieht. Also bleiben wir über Nacht vor der Rehbergerbrücke.
Am frühen Morgen besorge ich frische Brötchen. Das Städtchen Grabow wirkt etwas verschlafen. Ich fühlte mich zurückversetzt ins 19. Jahrhundert zwischen all den Fachwerkhäusern und den kleinen Läden.
Die Elde fliesst meistens in ihrem natürlichen Flussbett. Sechs Schleusen liegen vor. Es wird anstrengend sein.
Vor der Schleuse Malliss halten wir für eine kurze Rast an. In Dömitz wird die letzte Schleuse der Elde bedient. In der Dömitzer Hafengastronomie ergattern wir den letzten Platz. An der hohen Hafenmauer prangt die gelbe Welle. Sie ist allerdings verschmutzt und ausgebleicht. Die Anlage finde ich scheusslich. Felix ist anderer Ansicht. Für eine Besichtigung der Altstadt und der sternförmigen Festung sind wir schlicht zu müde.
Felix und ich sind etwas aufgeregt, weil die Fahrt auf der seichten Elbe kein Spaziergang sein wird. Ob wir immer genügend Wasser unter dem Kiel haben, wird sich zeigen. Der Wasserstand sinkt von Tag zu Tag. Wir dürfen nicht mehr länger warten. Das System der Fahrwasserbezeichnungen haben wir gestern gewissenhaft studiert. Es wird ein ständiges Hin und Her von einem Ufer zum anderen sein. Die Baken markieren die Fahrrinne in der Elbe, die sich aber ändern kann.
Um 09.45 startet das Abenteuer auf der Elbe. Ausgerechnet jetzt setzt der Regen ein. Die Sicht ist miserabel. Ich stürze mich in die Regenkleider, bewaffne mich mit dem Feldstecher und suche beide Uferseiten nach den gelben Übergangsbaken ab. Die erste sehe ich am rechten Ufer und lotse Felix zu ihr. Die nächste befindet sich am linken Ufer. Manchmal stehen zwei Übergangsbaken nebeneinander. Es klappt gut, Felix steuert und ich lotse.
11.00, es knirscht! MY De Swel bleibt in Sand stecken. Felix lässt das Boot mit voller Kraft rückwärtsruckeln. Es befreit sich aus dem Sand. Nach ein paar Metern ertönt schrill die Motorwarnung. Schnell den Motor stoppen und schnell den Anker ins Wasser fallen lassen. Die Strömung könnte das Boot auf die nächste Sandbank treiben. Der Wasseransaugfilter des Motors ist total mit Sand verstopft. Nach der Reinigung des Filters und dem Lichten des Ankers nehmen wir die Zickzackfahrt wieder auf. Noch einmal streift der Rumpf kurz den Sand. Der Regen verzieht sich. Die Seezeichen sehen wir besser. Die Elbe durchfliesst eine naturbelassene Landschaft.
5,5 Stunden dauerte die Fahrt auf dem 66 km langen Streckenabschnitt der Elbe. In der Marina Lauenburg legen wir an. Eine lange Pause bis Sonntag beginnt.
Warum haben wir die anstrengende Fahrt auf uns genommen?
Die Elbe von Dömitz bis Lauterburg führte ausnahmsweise genügend Wasser für eine Fahrt mit unserem Boot, welches einen Tiefgang von 1,2 Meter hat. Der Reiz dies zu tun kitzelte uns. Wären wir das Wagnis nicht eingegangen, hätten wir auf der gleichen Wasserstrasse bis nach Berlin zurückkehren müssen.
Die Stellplätze für Wohnmobile bei der Marina Lauenbrug sind ausgebucht. Aber im Hafen bleiben einige Gastplätze leer.