Für Sonnenbaden am Nordseestrand ist es zu kühl und zu regnerisch. Wir schwingen uns auf den Fahrradsattel und pedalen westlich auf dem Deich bis zur Hollumerbucht. 

 

 

 

 

 

 

An einem Steg schaukeln ausgemusterte Rettungsboote leise im Wasser. Sie sehen nicht verwahrlost aus. In Gegenteil, sie sind sorgfältig restauriert und fahrtüchtig. Der Steg entpuppt sich als Museumshaven Zeemanshoop.

 

 

 

 

 

 

Die Türe zum Steg ist offen. Ein Mann hantiert an seinem orangefarbigen Rettungsboot. Felix kommt ins Gespräch mit ihm. Der Besitzer erzählt uns:“ Mein Boot wurde in England gebaut. Es war 1969 bis 1990 in Schottland stationiert, leistete 50 Einsätze und rettet sechs Schiffbrüchige. Wenn es kentert, richte es sich immer wieder auf. Mit ihm fahre ich  bis zu den Häfen von London, Rotterdam und andere mehr.“

Er erlaubt uns, das Innenleben vom Highlander, so der Name des Bootes, zu besichtigen. Mit neusten Navigationsgeräte ist das Steuerhaus ausgerüstet. Im Motorraum riecht es nach Öl. Zwei starke Dieselmotoren, 2x 110 PS, sorgen für das Durchkommen bei stürmischer See.  Das Stahlboot hat ein beachtliches Gewicht von 28 Tonnen. Im Bug wird geschlafen. Die Kabine hinter dem Steuerstand mit Fernseher ist wohnlich eingerichtet.

Auf dem Deich begegnen wir zwei Männern, die bei Sturm und Nacht mit einer Laterne nach Schiffbrüchigen suchen.

Wir verlassen den Deichweg und fahren übers Land nach Hollum zum Maritiem Centrum Abraham Fock. Im modernen Museum wird über die Seenotrettung, über Schifffahrt und Seeleute von damals in Ameland  erzählt.

Bekannt ist die Ameländer Sage der “Rixt van het Oerd“. Nach Überlieferungen band sie einer Kuh eine brennende Laterne um den Hals. Sie jagte das Tier durch die Dünen zum Strand mit dem Ziel, Schiffe stranden zu lassen und in der Hoffnung Wertvolles zu erbeuten. Aber es ging schief. Sie fand ihren einzigen Sohn Sjoert leblos am Strand.

Wir lesen Geschichten über die Ameländer, die keine Furcht zeigten, Menschen zu retten.

1824 strandete an einem stürmischen Tag die amerikanische Brigg De Vreede. Das Amelander Rettungsboot  kentert bei der Rettung. Nur Ruderer Willems überlebte. Angesehene Personen setzten sich massiv für ein gut organisiertes Rettungswesen ein. Auf Ameland wurde erst die Station in Nes gebaut, später kam Hollum dazu.

Jacob Folkerts (1849 – 1930) übte drei Berufe aus: Fischer, Seemann und Leuchtturmwärter. Er war bis 1886 Ruderer auf dem Rettungsboot von Hollum und wurde dann zum Schiffsführer befördert.  Den verantwortlichen Posten hat er 30 Jahre inne und rettete mit seiner Mannschaft 237 Personen.

Das Glanzstück des Museums ist das Pferderettungsboot Abraham Fock, genannt nach dem Gründer, einer der ersten Rettungsgesellschaften. Zehn stattliche Pferde zogen das Boot auf einem schweren Wagen auf Raupen zum Südweststrand von Hollum und wurde zu Wasser gelassen. Bis zum Jahr 1988 stand es im Einsatz.

Am 14. August 1979 rutschte der Wagen samt  Rettungsboot in eine Untiefe. Er riss acht Pferde mit sich. Sie ertranken. Dies war ein schockierendes Ereignis für die Rettungshelfer und Inselbewohner. Eine Gedenktafel  befindet sich an der Unfallstelle.

 

 

 

 

 

 

Bis zu 15 mal im Jahr wird das Rettungsboot zum Meer gezogen und eingewassert – nur noch eine Touristenattraktion. Heute, am 14. August um 20.00 findet die Vorführung zum Gedenken an die acht Pferde statt.

 

 

 

 

 

 

Viele Ameländer Burschen fuhren bereits in ihren jungen Jahren zur See. Sie verrichteten die Arbeit in der Fischerei auf einem Fangschiff. Dies war oft der Einstieg in die Seemannskarriere der Handelsschifffahrt. Die Kapitäne auf diesen Frachtschiffen bewirkten einen grossen Anteil am Wohlstand von Ameland. Auch Kommandanten der Walfangflotte lebten in Hollum. Auf dem Friedhof sind einige Grabmäler zu sehen.

Mit Eindrücken in Hülle und Fülle rund um die Schifffahrt verlassen wir das Museum. Der Magen knurrt. Felix begnügt sich mit einer Pfanne Muscheln an seinem Geburtstag.

Einen Kilometer und westlich von Hollum entfernt erhebt sich der Leuchtturm von Ameland. Er ist aus Gusseisen mit Baujahr 1880 und 55 Meter hoch. Seine Lichtstrahlen sendet er  aus einem neuen Lichthaus über die See. Ein Radar wurde im Zuge der Erneuerung montiert. Trotz des Wetterumschlages fahren wir hin. Ohne ein Bild von ihm für meine Leuchtturmsammlung heimzukehren, könnte ich nicht verschmerzen.

Nachher fahren wir 13 Kilometer zurück auf dem Radweg der Hauptstrasse entlang nach Nes, dem Hauptort von Ameland, an prächtigen Salzwiesen vorbei.