07. bis 16. August

Schon beim Einfahren gestern in den  Jachthaven Eldorado spürten wir, dass es sich um mehr als einen gewöhnlichen Hafen handelt. Das Hafengebäude, auf dem weiten und gesicherten Gelände, fällt durch die moderne Architektur auf. Die Sanitäranlagen begeistern durch makellose Sauberkeit, ebenso die Waschküche. An den breiten Stegen liegen Jachten, deren Preise eher im Millionenbereich als in Tausendern angesiedelt sind. Für Hunde ist eine Versäuberungsecke eingerichtet. Doch unser Kleiner will nichts davon wissen. Die Hafengebühren bewegen sich überraschend im üblichen Rahmen.

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Der Jachthaven Eldorado könnte einen zu einem ausgedehnten Aufenthalt verleiten. Doch bis Ende August möchten wir noch viele neue Erfahrungen sammeln. Am Morgen wird nicht getrödelt, denn ein langer Schlag ist geplant. Wir fahren um 09.30 zurück zur Mass und biegen nach einer Weile in den Mass-Waal-Kanaal. Das Sicherheitstor gleicht einem Fallbeil. Felix und mir kommt dasselbe in den Sinn: Hoffentlich bleibt es oben beim Passieren.

Der Mass-Waal-Kanaal führt zum Waal (Teilstrecke des Rhein). Die Falltore der Schleuse Weurt sind in Sicht, die sich langsam senken werden, also keine Guillotine. Mit dem Frachter Farersia schleusen wir durch. 

Exakt bei der Zentrale des Rijkswaterstaats, der einem Wal gleicht, gelangen wir in die Waal. 

Der Bootsverkehr hält sich in Grenzen – keine Hotelschiffe sind unterwegs, unter den Brücken bleibt ein Gedränge aus und niemand nötigt uns auszuweichen.

Die Stadt Nijmegen zieht an uns vorbei und weckt Erinnerung an unseren Halt im 2018. Nicht nur MY De Swel schiebt das Wasser vor sich hin, sondern auch die Frachter mit ihren starken Motoren. Wir fahren eben gegen die Strömung.

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Die Waal fliesst zügig in weiten Bögen durch die Landschaft. 

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Noch zweimal Abbiegen: in den Pannerdensch Kanaal und bei Westervoot (Ort) in den Neder-Rijn – 17:00 das Ziel, die Stadt Arnhem in der Provinz Gelderland und der Jachthaven Valkenburg  sind erreicht.

Der Jachthaven Valkenburg bildet einen krassen Kontrast zum Jachthaven Eldorado. Hier wäre eine umfassende Sanierung und Entsorgung der vergammelten Boote dringend nötig. Allerdings liegt MY De Swel sicher am Aussensteg. Die Hafenatmosphäre ist für uns nicht wichtig, da wir die meiste Zeit in der Stadt verbringen werden.

Uns zieht es zuerst ins kleine Airborne Museum at the Bridge und lesen, was sich im September 1944 (Operation Market Garden) rund um die Rheinbrücke zugetragen hatte.

Während der Schlacht um Arnhem gelang es etwa 750 britischen Fallschirmjägern unter dem Kommando von Oberstleutnant John Frost, die nördliche Seite der Rheinbrücke zu besetzen. Trotz heftiger Gegenwehr konnten sie die Brücke mehrere Tage lang halten, ehe sie von deutschen Einheiten eingekreist und schliesslich in Kriegsgefangenschaft gerieten. 1977 wurde die Brücke in John Forst umbenannt.

Wer unter der Brücke durchguckt, entdeckt ausgemusterte Hotelschiffe. Insgesamt liegen zehn in Reih und Glied am Kai. Um dem akuten Mangel an Wohnraum entgegenzuwirken, greifen die Niederlande vermehrt auf Hotelschiffe zurück, die als kurzfristige Unterkunft für Asylsuchende dienen. Dieser Schritt soll die überfüllten Asylzentren entlasten und den Engpass bei regulären Unterkünften für Geflüchtete und Personen mit Aufenthaltsrecht abmildern.

Neue Elemente zieren die Grote Kerk!

Vom Marktplatz spazieren wir zur Stadtmitte durch die lebhaften Einkaufsstrassen und Begegnungsplätze. Am besten gefällt uns die Kerkstraat. Die kleinen Läden präsentieren ihre Angebote stilvoll. Galerien erlauben freien Zugang. 

Vor der Rückkehr zum Boot schlürfen wir genüsslich einen Eiskaffee. Der Zuckerspiegel steigt an.

Raus aus der Stadt mit über 160’00 Einwohnern, rein in die Natur, dies ist unser Leitsatz. Wir steuern auf dem Neder Rijn zurück und biegen ab in die Geldersche IJssel. Bald darauf zweigen wir nach der engen Stelle In die  künstlichen Rhederlaag Meere (Sees).

Wie entstand das Rhederlaag?


In den 1960er Jahren wurde ein bedeutender Mäander der IJssel abgetrennt. An verschiedenen Stellen hatte zuvor bereits der Tonabbau für Ziegeleien stattgefunden. Ab 1971 begann die grossflächige Abtragung von Sand und Kies, wodurch innerhalb weniger Jahrzehnte weite Teile des Gebiets überflutet wurden. So entstand das weitläufige beliebte Naherholungsgebiet Rhederlaag.

In der Bucht Gieseplas, liegt der Jachthaven Giesbeek. Wir dürfen einen freien Platz selber wählen.

Die Hitzewelle hat Südniederlande erreicht. Der Naturstrand der Bucht Gieseplas ist ganz nach unserem Sinn. Die Abkühlung im Wasser macht die heissen Tage spürbar erträglich.

Zur Abwechslung suchen wir am Sonntag das Dorf Giesebeek auf und kehren beim Müller ein.

Spontan entscheiden wir, einen Tag und eine Nacht vor Anker in einer Bucht des Rhederlaags zu verbringen. Auch andere Boote finden den Weg hierher und suchen sich einen Platz. Kleinere Boote werden direkt zum Strand gesteuert und laufen auf dem Sand aus.

Felix schnürt ein Floss für Nikki. So kann er ohne nasse Pfoten zu kriegen ans Land befördert werden. Sieht spassig aus. Für uns oder für Hündchen?

Ein wenig Überwindung brauchen wir am Morgen ins Wasser zu steigen und mit Nikki zum Strand zu schwimmen. Der See hat sich erfreulicherweise nicht stark abgekühlt. Die Hitzewelle hält an. Am späteren Nachmittag brechen wir auf, fahren zurück zur Geldersche Jissel und drehen ab nach sieben Kilometer bei Deosburg in den Passantenhafen.

Die Hansestadt Doesburg beschrieb ich im 2017. Diesmal durchstreifen wir nur kurz die Innenstand. In den Shops ist nicht viel los. Die Hitze vereitelt einem das gemütliche Bummeln. Was uns auf der diesjährigen Reise auffällt, sind die gespannten Dekorationen über den Einkaufsstrassen und Gassen. Jede Stadt verwirklicht ihre eigene Idee. Am Abend und in der Nacht kühlt es nur wenig ab. Kein Lüftchen weht.

Am Morgen radeln wir zum Nationalpark Veluwezoom, nordwestlich von Doesburg. Nach der Überquerung des Flusses IJssel begegnen wir einem alten, einbetonierten Panzer. Er sollte in den 1950 er Jahren bei einem Konfliktfall die ehemalige Sowjetunion aufhalten. Nach drei Kilometern geradeaus, tauchen wir in den Wald ein und erreichen den Carolinaberg, der 49 m ü. M. ist. 13 Wege gehen strahlförmig von hier ab. Dies sei ein Treffpunkt der Wildtiere. Sieht Felix ein Restaurant, so ist er schnell vom Sattel. Die letzte Wegstrecke zieht sich der IJssel entlang. 

An unzähligen Buhnen mit den Fahrwassermarkierungen sind wir mit dem Boot vorbeigefahren. Ich wünsche mir ein einziges Mal einen zu betreten. Ein schmaler Weg führt hinab durch Brennesel. Ist mir echt egal, Felix folgt mit nach.

Zum Abschluss begegnen wir einer seltsamen Wiese. Felix meint: »Die Holzstücke in den 70 Gittern werden nach der Verwitterung weiterverarbeitet.« Dem ist aber nicht so.
Das Kunstwerk ist Teil der IJssel Biennale 2025, bei der insgesamt 18 Werke entlang der IJssel präsentiert werden. Art van Triest hat eine dystopische Waldlandschaft geschaffen, in der kein Ast über die klaren Linien hinausragt. Dieses Szenario verweist auf die menschliche Neigung, Unsicherheit und Angst durch Ordnung und Systeme zu kontrollieren.

Die IJssel schlängelt sich von Arnhem bis zum IJsselmeer durch die Provinzen Gelderland und Overijssel. Entlang ihres Ufers reihen sich traditionsreiche Hansestädte wie Doesburg, Zutphen, Deventer, Hattem, Zwolle und Kampen. Ihren Rum und Wohlstand verdanken die Städte in hohem Masse der glorreichen Hanse, einem jahrhundertalten Bündnis von Kaufleuten. Die Städte sind mit ihren reichen und mittelalterlichen Erben und den gut erhaltenen Altstadtzentren einen Aufenthalt wert.  
Nach sieben Kilometer auf der IJssel schwenken wir ab in den WSV Gelre Haven vor der Walburgiskerk in Zutphen.

Beim Rundgang durch die beeindruckende und weitläufige Altstadt fällt sofort die Vielzahl historischer Gebäude ins Auge. Die Häuserzeilen in den kleinen Gassen könnten nicht unterschiedlicher sein. Mehr als 900 Denkmäler zeugen von der reichen Vergangenheit der Stadt. Zutphen erhielt bereits im Jahr 1190 das Stadtrecht und trat gegen Ende des 14. Jahrhunderts der Hanse bei. Der Wohlstand jener Epoche ist bis heute spürbar und prägt das Stadtbild.

Das postmoderne Stadthaus passt wirklich nicht in die Altstadt. Verwunderlich, dass der Bau bewilligt wurde.

Jeden Abend, erklingt aus dem Pförtnerturm der Broederenkerk ein besonderer Klang: Seit 1772 läutet die Glocke dort um 21:50 Uhr. Einst hallte ihr Ruf durch die Gassen, um die Bewohner zu warnen – die Stadttore würden sich bald schliessen. Bis heute ist dieses Ritual ein lebendiges Echo aus vergangenen Jahrhunderten und lässt die Geschichte Zutphens spürbar werden.

Auf dem Weg zur nächsten Hansestadt, nämlich Deventer und

ausserhalb der Stadt im ruhigen Jachthaven Deventer anlegen. Die Hitzewelle ist vorüber.

Übrigens:
Mit dem Westfälischen Frieden von 1648 wurde die Republik der Vereinigten Niederlande als unabhängiger Staat anerkannt. Sie konnte nicht nur ihre Eroberungen in Nordbrabant und Limburg sichern, sondern auch ihre kolonialen Besitzungen. In der Folge entwickelte sich das junge Land zu einer der führenden Handelsmächte und stärksten Seefahrernation seiner Zeit.