17. bis 31. August

In den Gassen der Hansestadt Deventer duftet es früher nach Gewürzkuchen. Händler brachten im Mittelalter Zimt, Nelken und Muskat in die Stadt und die Bäcker verwandelten sie in den berühmten Deventer Koek – einen dunklen, honigsüßen Kuchen, der bis an Fürstenhöfe gelangte. Kaiser Karl V. und Zar Peter der Große schätzten ihn. Das Rezept blieb streng gehütet. Erste Erwähnungen reichen bis ins 9. Jahrhundert.

Noch heute erzählt jeder Laib von dieser Tradition und macht Deventer weit über die Niederlande hinaus bekannt.
Gewürzkuchen brachten wir anfangs der Reisen als Mitbringsel mit. Er ist bedingt beliebt in unserer Familie.

Besuch der Stadt im 2018

Das ging bestimmt laut zu und her auf dem Marktplatz, mit all den Händlern, ihren Laufburschen, dem einfachen Volk und Fuhrwerke dazwischen. So stell ich mich das vor.

Deventer erhielt 1344 das Recht, Jahrmärkte abzuhalten. Von weither kamen die Händler, um ihre Ware auf dem Marktplatz De Brink anzubieten und zu verkaufen. Ehrlicher Handel war von grosser Bedeutung. Die Kalibiermeister kontrollierten die Gewichts- und Volumenmasse. Die Ware musste vor dem Verkauf in De Waag gewogen werden. Das obligatorische Waechgeld (Wiegegeld) war eine Art Mehrwertsteuer. Dadurch erzielte die Stadt Einnahmen.


Das spätgotische Wiegegebäude ist 80 cm aus dem Lot. Das hat mit der eingestürzten Verteidigungsmauer zu tun, die über De Brink verlief und auf dem die De Waag errichtet wurde.

Angesteckt von der Wiese mit den eingesperrten Holzstücken verspüren wir die Lust, mehr von der Biennale IJssel 2025 zu entdecken. Ich besorgte die Fahrradkarte der Route Deventer und Zwolle. Sie sind rudimentär gestaltet. Fast wie bei einem Orientierungslauf, suchen wir mit dem Fahrrad die fünf Kunstwerke auf. Sie sind auf 27 Kilometer westlich und östlich der IJsel entlang verteilt.

Das Thema der Biennale lautet Grenzen. Grenzen markieren, trennen und verbinden – natürlicher, physischer, administrativer, sozialer oder mentaler Natur. Was die Kunstschaffenden damit ausdrücken, ist auf Tafeln kurz beschrieben.

Wir machen uns auf nach Hattem, der letzten Hansestadt an der geldersche JIssel. In der Marina Ijsseldelta empfängt uns eine drahtige Hafenmeisterin. Ich reiche ihr die Bugleine, halte dabei das Ende in meinen Händen. Sie legt die Bugleine um die Klampe und will sie nicht mehr loslassen. Bei starkem Wind muss ich die Leinen sofort anziehen und festmachen. Ich werde ziemlich laut, bis sie endlich nachgibt. In der Zwischenzeit hat sich das Heck weit vom Steg entfernt. Durch das Einmischen der Hafenmeisterin gelingt uns das Anlegemanöver total unprofessionell.

Am Nachmittag unternehmen wir einen Streifzug durch die Innenstadt Hattem. Die Stadt blühte im Mittelalter als Hansestadt auf, erkennbar an den Kaufmannshäusern der Altstadt. Hohe Mauern, eine Stadtgracht und bewachte Tore sicherten die Stadt. Teile der Stadtmauer, das Dijkpoort aus dem 14. Jh. und das mittelalterliche Straßenmuster blieben erhalten.

Nikki und ich spazieren am Abend zur kleinen Fähre an der IJssel. Am Rande eines Maisfeldes wachsen kleine Sonnenblumen inmitten von Unkraut. Ich bin so frech und pflücke welche.


Die Biennale Zwolle führt nahe bei Hattem durch. Ich erspähte gestern mit Nikki ein Kunstwerk von ihr, nämlich einen aufgestellten Container. Felix gesinnt sich doch noch mitzuhalten. Auf der Karte sind sechs Gasthöfe eingetragen. So kann nichts schief gehen. Wir radeln wieder von einem Kunstwerk zum anderen.

Die Route lotst uns durch prächtige Naturschutzgebiete


Die Geldersche IJssel verlassen wir definitiv, biegen ab in den Zwolle IJsselkanaal und spähter ins Zwartewater. Bei der Stadt Hasselt , im einsamen Jachthaven De Nadorst wird angelegt. Er fühlt sich für mich auf diese Weise an. Felix findet es angenehm, zwischendurch abseits der Hafen-Betriebsamkeiten zu sein.

Die kleine Hansestadt Hasselt wurde vor allem als Verladeplatz für Bernheimer Stein bekannt. Das Vispoort (Fischtor) ist aus diesem Stein errichtet und ist ein Teil der ehemaligen Stadtbefestigung. Hasselt erhielt 1252 Stadtrechte. Rund 100 Jahre später trat die Stadt der Hanse bei und betrieb Handel über die Zuiderzee (IJsselmeer). Mit dem Ende des Mittelalters verlor Hasselt jedoch an Bedeutung, da günstigere Städte den Handel übernahmen.
Während unseres Aufenthaltes im Städtchen ertönt von der Stephanuskerk fast eine Stunde lang ein Glockenspiel. Worauf die Dekorationen und Plakate in den Gassen hinweisen, bleibt für uns ein Rätsel, trotz den Übersetzungen mit dem Mobile. Vielleicht sind es politische Motive.

Von Hasselt nach Zwartsluis am Zwartewater ist es nur ein Katzensprung. Die Stadt liegt in der Provinz Overijssel. und gilt als Eingangstor zu den Seenlandschaften von Overijssel, Friesland und Nationalpark Weerribben-Wieden. Am Steg der Hafenmauer entlang des Jachthavens RC Zwartewater machen wir fest. Uns gefällt die Stimmung hier. Beim Bezahlen der Hafengebühr für drei Nächte werden wir überrascht. Die dritte Nacht ist kostenlos.

Schon Ende des 14. Jahrhunderts entstand hier die erste Schleuse am Zwartewater – Ursprung von Name und Siedlung. Handelsschiffe, die auf die Durchfahrt warteten oder vor Anker lagen zogen Handwerker, Bäcker und Wirte an und das Dorf wuchs. Im 17. Jahrhundert wurde Zwartsluis wichtiger Umschlagplatz für Torf. Mit kleinen Booten kam er aus dem Hinterland, wurde zwischengelagert und auf große Schiffe verladen. Von den vier Schleusen sind noch zwei in Betrieb.

Das Wetter könnte nicht besser sein für eine Radtour durch den Nationalpark Weerribben-Wieden. Da wir diesmal unterwegs keinen Gasthof antreffen, packe ich ein Lunchpaket ein. Die Landschaft zeigt sich abwechslungsreich. Ab dem 15. Jahrhundert wurde hier Torf gestochen, später führten Sturmfluten und Deichbrüche zu großflächigen Überschwemmungen. So entstanden die heutigen Seen. Während Felix tapfer gegen den Wind antritt, genieße ich den Platz in seinem Windschatten.

In den Werften Poppen und Geertman werden Binnenkähne bis zu 110 Meter gebaut und gewartet. Längst vergessenen Booten wird neues Leben eingehaucht. Das Werftgelände Poppen versperrt mir durch einen hohen Zaun den Zugang.

Doch bei Geertman kann ich frei durch das Areal pirschen.

Die drei kurzweiligen Tage in Zwartsluis sind wie im Flug vergangen. Über das Zwolsche Diep erreichen wir das Zwarte Meer, durchqueren es am östlichen Ufer und gelangen schließlich ins Zwanendiep. Schon von Weitem entdecken wir die weissen Silhouetten zahlreicher Schwäne. Sie haben sich hier niedergelassen und sind eifrig auf Futtersuche. Der Vollenhoverkanaal schließt sich an und führt direkt zum Jachthaven Vollenhove.

Unweit des Hafens, auf einer kleinen Anhöhe, liegt eine Fischräucherei. Frisch geräucherten Fisch ist immer ein Genuss!

Im Büro vom Hafenmeister liegen Flyer auf, die auf den Corso 2025 am kommenden Samstag hinweisen. Das beeindruckende Fest findet jedes Jahr statt. Dann ziehen festlich geschmückte Wagen durch das Städtchen. Darauf thronen riesige Figuren, die aus Hunderttausenden von Dahlien gestaltet sind. Nun wird uns klar, wozu die vielen kleinen und kompakten Dahlieblühten vorgesehen sind, die wir auf unserer Radtour durch Weerribben entdeckt haben.

Die Gassen sind bereits für den Corso geschmückt.

Über die schnurgeraden Zwolsevaart und Urkervaart erreichen wir nach sechs Stunden die Urkersluis südlich der Stadt Urk. Das Warten an den Klappbrücken und Schleusen erfordert Geduld und kostet Zeit.

Der Schleusenwart der Urkersluis teilt uns mit, dass es Probleme mit den Schleusentoren gibt. Zum Glück erweist sich die Störung nicht als unlösbar. Nach kurzer Verzögerung öffnen sich die Tore,und wir werden durchgeschleust. Vor uns liegt das weite IJsselmeer. Wir biegen ab in den Jacht- und Fischerhaven Urk, der jedoch bis auf den letzten Platz belegt ist. Bei einem Frachtschiff aus dem Jahr 1902 dürfen wir anlegen.

Im Jahr 2019 verbrachten wir einige Tage hier, setzten uns mit der bewegten, teils auch tragischen Geschichte von Urk auseinander und suchten die Relikte und Skulpturen auf.

Beim heutigen Aufenthalt schlendern wir gemütlich auf der Hafenkade und guckten den Werftarbeitern zu, wie sie hämmern, schweissen und anstreichen. Ein Abstecher führt uns zum Werkshafen, wo die tonnenschweren Boote liegen. Ein Angestellter spricht uns an und fragt lachend, ob wir uns verlaufen hätten, denn Touristen verirren sich schliesslich selten hierher.

Der Leuchtturm an der Hafeneinfahrt in Enkhuizen ist für uns ein Symbol der Heimkehr.


Der letzte Schlag beginnt. Das IJsselmeer ist zwar bewegt, doch an die Krängungen des Bootes sind wir von der Ostsee längst gewöhnt. Die Überfahrt dauert keine zwei Stunden. Im Stadthafen von Enkhuizen legen wir direkt beim Hafengebäude an. Die Vorbereitungen für den Refit beginnen. Kleinere Gegenstände verstauen wir in die Schränke, die anschliessend zugeklebt werden. Ich wasche, was hierbleibt. Am Montag werden wir MY De Swel zum Jachtservice De Gier bringen und vollständig ausräumen.

Kaum zu glauben, die drei geplanten Monate auf den Wasserstrassen der Niederlande sind vorbei. Ein Teil der Route war uns schon vertraut, der andere hingegen Neuland. Manch Fahrradtour haben wir unternommen. Die Sonne schien beinahe täglich. All die gesammelten Eindrücke nehmen wir mit nach Hause. Sie sind kostbare Erinnerungen an unsere Reise 2025.