14. bis 25. August
Just am Geburtstag von Felix beziehen wir nach langer Autofahrt unser Boot in Vegesack wieder. Die Reise geht auf der Weser zurück nach Bremen.
Marina Bremen an der Weser, Tiden abhängig
Das Geburtstagsessen von Felix holen wir im Ratskeller nach. Die reichverzierten Weinfässer faszinieren uns wie beim letzten Besuch im 2016. Die Bremerstadtmusikanten verstecken sich nicht mehr hinter einem Gerüst. Das Rathaus zeigt sich in neuem Glanz. Der Markplatz ist umring von historischen Prunkbauten. Der steinerne Roland aus dem Jahr 1404 symbolisiert die Freiheiten und die Rechte der Stadt. Er blickt zum Rathaus.
Es zieht uns zur heimlichen Hauptstrasse von Bremen, nämlich die Böttcherstrasse. Sie vereint Genuss, Handel, Kunst und Kultur. Der Bremer Kaffeekaufmann Ludwig Roselius war durch die Erfindung des koffeinfreien Kaffees HAG und Gründung der Firma Kaffee HAG seit 1906 zu erheblichem Wohlstand gekommen. Er hat die gesamte Böttcherstrasse erworben. Die Handwerkerstrasse liess er von 1923 bis 1931 umgestalten oder neu erbauen, provokativ und modern. Er wollte so die kulturelle Erneuerung Deutschlands nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg zeigen.
Am Abend suchen wir die Uferpromenade Schlachte auf. Hier legten einst Handelsschiffe an. Das Wort Schlachte stammt von slagte ab, vom Einschlagen der Uferpfähle für die Uferbefestigung.
Zuletzt besuchen wir das Schnoorviertel. Schnoor stammt vom Wort Schnur ab. Die Häuser scheinen wie an einer Schnur aufgereiht. Die ersten Bewohner im 13. bis 14. Jh. waren Fischer, Schiffer, Handwerker und Gewerbetreibende. Vom 15. bis 16. Jh. entwickelte sich das Viertel zu einem Stadtteil mit eigenem Charakter und wurde von Kauf- und Seeleuten bewohnt. Das Schnoorviertel durchlief im Laufe der Zeit mehrere umfangreiche Restaurierungen, ohne seinen Charm zu verlieren. Vom Zweiten Weltkrieg blieb es weitgehend verschont.
Bei abfliessenden Wasser fahren wir 60 Kilometer auf der Weser in nördlicher Richtung nach Bremerhaven. Ein Gewitter bahnt sich an und entlädt sich beim Schleusen zur Marina im-jaich. Die Marina ist voll besetzt. Wir legen provisorisch für eine Nacht an der Hafenmauer an. Ein Mann hilft dabei. Er teil mit, morgen verlasse er die Marina und die Box werde für uns frei – eine erfreuliche Nachricht.
Industriegebiet Bremerhaven
Die Marina ist bis auf den letzten Platz besetzt, weil das Fest »Maritime Tage 2024 Bremerhaven vom 14. – 18. August« stattfindet.
Das Fest zieht Abertausende Menschen an. Auf drei Bühnen treten Musikbands auf darunter auch ein Shanty Chor. Schiffe aller Art laden zu Besichtigungen und Fahrten ein. Am Abend beginnen Partys mit DJs. Sie dauern weit über Mitternacht. Die Street Food ist enorm. Unsere Bordküche bleibt für drei Tage kalt. Für die Kinder ist ein eigener Vergnügungspark aufgebaut.
Zur Abwechslung radeln wir zu den Überseehäfen und gucken durch die hohen Zäune. Der Aussichtsturm aus Containern bestehend, ist wegen einer Baustelle gesperrt. Das ist ziemlich bitter, weil wir dem Treiben in den Häfen nicht zu sehen können. An der Kneipe »Treff Kaiserhafen« oder wie sie auch genannt wird »Letzte Kneipe vor New York« ist ein Vorbeifahren mit Felix chancenlos. Mir ist die Kneipe, was die Sauberkeit anbelangt, nicht so geheuer. Doch das Mittagessen ist aus frischen Zutaten zu bereitet und genussvoll angerichtet.
Unser Ziel morgen ist, über das grosse Watt (Naturschutzgebiet) in den Priels (unregelmässige Rinne) zum Fluss Jade zu gelangen und in Wilhelmshaven anzulegen. Unter Einbezug der Tide berechnet Felix, wann dies möglich ist, damit die Wassertiefe für unser Boot genügend ist. Er legt die Zeitberechnung zwei Seglern vor. Bei Ebbe liegt das Watt trocken. Die Route ist uns aus der Reise 2016 bekannt. Siehe Karte 2016.
Als Abschluss unseres Aufenthalts in Bremerhaven, radeln wir am Abend zum Fischerhafen zu den urgemütlichen kleinen Fischerlokalen. Wir wählen einen feinen Fischteller aus.
Die Weser ist unruhig. Wir fahren bei einlaufendem Wasser an der eindrücklichen Columbuskaje und dem Containerhafen entlang. Zwei Kreuzfahrtschiffe liegen vor Anker beim Terminal.
13:00, wir treffen bei der Boje 43 wie geplant ein und zweigen westlich ab ins Watt. Jetzt bei Wasserhochstand fahren wir genau den Pricken (Besen) nach. Die Wassertiefe ist ausreichend.
Nach ungefähr einer Viertelstunde sind weit und breit keine Pricken mehr sichtbar. So was, ist das wirklich möglich? Ich suche die Wasserfläche mit dem Feldstecher ab. Diese Tatsache erschreckt uns. Eine Weiterfahrt ist zu riskant. Die Vernunft siegt. Wir kehren um und fahren zur Marina im-jaich zurück. Wie es weitergehen soll, wollen wir in aller Ruhe planen.
Rückfahrt zur Marina, Hotelgäste winken uns zu.
Die Route ist gesteckt: via Hunte und Küstenkanal zum Dortmund-Ems-Kanal und auf der Ems zur Nordsee.
Bei Regen verlassen wir die Marina, schleusen durch zur Weser und fahren Richtung Bremen. Kehren wieder einmal zurück! Die Weser empfängt uns mit kräftigen Wellen. Nach drei Stunden haben wir die Abzweige in die Hunte erreicht. Wiederum regnet es stark. Die Strömung zieht. Felix hat das Anlegemanöver an den Sportboot-Schwimmanleger in Elsfleth im Griff. Morgen schalten wir ein Relaxtag ein. Über Elsfleth habe ich bei unserem Stop 2017 berichtet. Die kleine Stadt hat sich nicht verändert.
Mit einlaufendem Wasser fahren wir die Hunte hoch. Der kräftige Gegenwind bremst uns. So kommt ein Gefühl auf, als würde man gegen den Strom steuern. Bei Wasserhochstand wird das lehmige Ufer nicht mehr sichtbar sein.
In Oldenburg legen wir im Stadthafen an. Der Steg ist eigentlich zu kurz für MY De Swel. Drei Männer sind gleich zur Stelle. Ich werfe einem um dem anderen die Leine zu.
Bootsnachbar Günther informiert, dass die Schleuse Dörpen am Ende des Küstenkanals bis zum 30. August geschlossen bleibt. Die Schleusenkammern werden verlängert. Na toll! Das heisst, kein Einfahren in den Dortmund-Ems-Kanal ist möglich, also wieder umdisponieren. Aber das kann warten.
Die Altstadt Oldenburg kennen wir noch nicht. Sie ist heute, am Samstag, sehr belebt. Cafés, Restaurant, Läden und grosse Einkaufscenter sind reich vertreten. In der Fussgängerzone geht es geschäftig zu und her.
Die St. Lamberti-Kirche der ev.-luth. Kirchengemeinde liegt zwischen Schloss und Rathaus. Anders als die neugotische Fassade vermuten lässt, ist das Kircheninnere rund gestaltet. Durch die Kuppelöffnung wird eine Verbindung zum Himmel geschaffen und durch ein Kreuz verstärkt.
Im Horst-Janssen-Museum werden wir freundlich empfangen. Der Eintritt ist frei. Der Namensgeber ist der norddeutsche Künstler Horst Janssen 1929 – 1995. Er ist einer der bedeutendsten Zeichner und Grafiker der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Geboren in Hamburg, verlebt er den grössten Teil seiner Kindheit in Oldenburg. Sein künstlerisches Schaffen, sein Erfolg und sein Leben finden allerdings im Hamburg statt. In der ersten Etage sind seine Werke ausgestellt.
In der zweiten Etage bewundern wir die Wanderausstellung Immerblühend von Miron Schmückle (geb. 1966). Es sind fiktive Pflanzen in prächtigen Farben und in feinster Aquarell- und Zeichentechnik aufs Papier gebracht. Die Blüten, Stängel und Blätter werden vom Künstler in scheinbar endlosen Reigen arrangiert.
Wir verabschieden uns von Bootsnachbarn Günther. Die neue Route führt uns zur Oldenburger Schleuse. Ab hier beginnt der Küstenkanal. Auf beiden Kanalseiten versperren Bäume die Sicht aufs Land.
Da wir nicht in den Dortmund-Ems-Kanal einfahren können, biegen wir ab in den Elisabethfehnkanal. Fehn = Sumpf, Moorland
Felix hat sich vorgängig erkundigt, ob die Wassertiefe für unser Boot ausreichend ist.
Uch, die Einfahrt ist eng.
Im Bootsclub Kamperfehn angekommen. Morgen fahren wir im Konvoi weiter. Das wird spannend!