27. Juni – 02. Juli
Eine Spur müde vom fünftägigen und lebhaften Aufenthalt in Berlin fahren wir im Teltow-Kanal in südwestlicher Richtung nach Potsdam. Es regnet hin und wieder. Beim Schleusen werden wir vom Nass verschont. Fotografieren gelingt mir nicht optimal. Die Belichtung strapaziert mich. Am PC Navigo fällt das GPS aus, also die Position des Bootes wird nicht nachgeführt. Nach dem Abbruch des Programms und einem Trick (selber herausgefunden) funktioniert das GPS wieder. Die Grafik der Wasserkarte ist fehlerhaft. Das Boot fährt übers Land.
Ein Gewitter zieht beim Ankommen im Yachthafen Potsdam auf. Es entlädt sich. Wir warten ab bis es vorüber ist. Felix hat bewusst vor der Abfahrt in Berlin einen Bootsplatz reserviert, denn der Hafen ist ständig voll belegt. Er hat nur wenige Gastplätze. Wir finden den reservierten Platz nicht auf Anhieb. Die Nummern der Stege sind an den weissen Steglampen angebracht, völlig unübersichtlich. Ein Mann ruft uns zu, wir sollen neben der imposanten Linssen mit dem Namen Hedwig (gleicher Name wie ich) festmachen.
Wir schlafen bis 07:30 in den neuen Tag hinein. Heute wird nichts unternommen. Das Tagesmotto heisst: Ausspannen. Mitte Nachmittag bereite ich nach meinem Rezept Rindsteaks zu, brate sie kurz an und schiebe sie in den Backofen. Um die richtige Kerntemperatur nicht zu verpassen, stecke ich ein Thermometer ins Fleisch. Felix lobt: »Du hast ein köstliches Essen auf den Tisch gezaubert.« »Danke für die Blumen, Felix!« Ich koche gerne in unserer gut ausgerüsteten Bordküche.
Auf dem Salontisch liegt ein Flyer, der eine Stadt- und Schlösserrundfahrt anpreist. Zuerst schenken wir ihm keine Beachtung. Doch nach einem Tag Nichtstun gelüstet es uns auf eine Rundfahrt mit dem alten Fritz. So werden wir einiges über die Königsresidenzen und deren Bewohner zu Ohren bekommen.
Mit dem Tram gelangen wir zum Hauptbahnhof. Der Alte Fritz wartet bereits auf seine Gäste. Zuerst geht es durch die Stadt zum Cecilienhof. Alle steigen aus und umrunden das Schloss, während der Guide darüber erzählt. Im Sommer 1945 trafen sich hier die mächtigen Staatschefs der Sowjetunion, USA und Grossbritaninen. Das Ende des Zweiten Weltkrieges wurde besiegelt und der Kalte Krieg eingeläutet.
Nächster Halt ist beim Schloss Sanssouci (übersetzt ohne Sorge). Der Guide weiss manche Anekdote über die Preussischen Könige zu berichten. Kartoffel liegen auf der Grabplatte von Friedrich dem Grossen, König von Preussen 1772 – 1786. Er ordnete 1756 den Kartoffelanbau an. Die Weinbergterrassen am Südhang des Schlosses sind imposant. Für einen Spaziergang ist der Aufenthalt zu knapp. Die Orangerie hätte ich ebenfalls gerne besichtigt.
Die letzte Station ist das Neue Palais aus 1769. In den Gemächern residierten die Gäste von Friedrich dem II. Gegenüber erheben sich wuchtige Communs (Wirtschaftsgebäude) und eine Kolonnade mit Triumphtor. In der Nacht vom 14. auf den 15. April 1945 wurde die Kolonnade durch Bombenangriffe stark beschädigt. In den Jahren von 2008 bis 2014 konnte sie aus den Mitteln des Sonderinvestitionsprogramms für die preussischen Schlösser und Gärten umfassend saniert werden. Beim Brandenburger Tor steigen Felix und ich aus und schlendern durch die Gassen zum Holländischen Viertel.
Das Fotografieren kam gestern zu kurz, da die Aufenthalte zu knapp bemessen waren und ich dem Guide zuhören wollte. Der Entschluss ist gefasst den königlichen Spuren nochmals zu folgen.. Mit dem Bus fahre ich zum botanischen Garten. Die Blumen haben mich wieder einmal in ihren Bann gezogen.
Zu Fuss steige ich durch den Park zur Orangerie hoch. Die Hallen sind leer. Mehr als 1000 Kübelpflanzen werden stets im Mai seit über 200 Jahre in den Schlosspark gebracht.
Eine Strasse führt von der Orangerie direkt zum Schloss Sanssouci. Auf der herrschaftlichen Treppe zwischen den Weinbergterrassen gehe ich hinunter zum Lustgarten.
Die Auswirkungen des Klimawandels machen auch im Unesco-Welterbe Park Sanssouci nicht Halt. Hohe sommerliche Temperaturen, Trockenheit und Wetterextreme bedrohen die Pflanzen, die Obstgärten und den Wald.
Der Park erstreckt sich über 300 Hektaren und hat ein Wegnetz von 70 Kilometer. Die kerzengerade Hauptallee endet direkt beim Neuen Palais.
Vom Botanischen Garten bis zum Neuen Palais habe ich zu Fuss einige Kilometer zurückgelegt. Die Königliche Herrschaft hingegen wurde in Kutschen von einem Ort zum anderen gebracht.
Friedrich der Grosse, im Volksmund alter Fritz genannt, demonstrierte mit den prächtigen Bauten und dem Park seine Macht in Preussen.
Trotz des regnerischen Wetters habe ich die Schlosstour fotografisch ausgekostet. Felix pflegt derweil die Freundschaften mit Bootscrews, die wir auf Binnenfahrten kennenlernten. Sie sind gestern im Yachthafen angekommen. Im eigenen Boot gibt es immer irgendwas zu tun.
Am letzten Tag des Aufenthaltes in Potsdam besucht uns ein Freundespaar aus der Schweiz. Sie sind mit ihrem Wohnmobil unterwegs. Bei leicht bewölktem Himmel unternehmen wir eine Potsdam-Insel-Rundfahrt. Felix hat sie vorbereitet. Nach einem Essen aus der Bordküche wird gejasst. Bis eine Partei die abgemachten Punktzahl erreicht dauert sehr lange, weil niemand richtig gute Karten erhält. Am Abend bringt Felix ein Ständchen mit Gesang und Laute für ein grosses Geburtstagskind dar.