20. Juli bis 06. August
Was befindet sich eigentlich hinter dem Hafen des Wassersportvereins De Spiegel? Ein paar Schritte täten gut. Wir raffen uns auf und schreiten mit Nikki durch die Ortschaft Niederhorst den Berg. Eine breite Durchgangsstrasse zieht sich durch das Dorf, gesäumt von Häusern und Baumreihen. Die Kirche, der katholischen Gemeinde, ragt weit über die Hausdächer.
Wir begegnen einem Bauernhof. Die Hühner springen auf uns zu. Wahrscheinlich erwarten sie Körner. Ein Kaninchen zeigt, wer der Chef hier ist. Das schmiedeiserne Tor zum Hof ist geschlossen. Das Banner davor zeigt auf, wie eine moderne Landwirtschaft betrieben wird. Hinter den Wirtschaftsgebäuden liegen die saftigen, grünen Wiesen.
Genug vom Landleben starten wir beizeiten die heutig lange Route, verlassen die Spiegelplas und die Blijkpolderplas und fahren weiter auf dem Fluss Vecht.

Das prächtige Schloss Nederhorst zieht an uns vorbei. Als Burg im 1260 erbaut, entwickelte sie sich über mehrere Jahrhunderte zu einem prächtigen Schloss. Im verheerenden Jahr 1672 zerstörten die Franzosen das Schloss. Es wurde wieder aufgebaut und später zur Verwahrlosung verurteilt. 1960 zog eine Privatperson eine Renovation durch. 1971 gab es einen schweren Brand, der das Schloss stark beschädigte. Trotzdem wurde es wieder aufgebaut. Um den Erhalt kümmert sich heute eine Stiftung.
Bei der Stadt Nightevecht fahren wir im Amsterdam Rijnkanal und an der Stadt Utrecht vorbei. Die Schleuse Beatrix entlässt uns in den Merwedekanal.
Eine Schar von kleinen Sportbooten erscheint plötzlich aus einem unübersichtlichen Seitenkanal. Sie beachten den roten, langen Frachter nicht. Der Steuermann drückt kräftig aufs Horn. Uns schaudert die Situation. Erfasst der Bug des Frachters einen, so ist die Überlebenschance gleich null. Der Bremsweg eines Frachters beträgt über 40 Meter.

Das schwüle und warme Wetter, das Schleusen und zum Teil das Warten vor den Brücken bis sie öffnen, machen Müde. An der Anlege bei der Stadt Meerkirk ergattern wir den letzten Platz. Er ist nicht gerade das, was man vorzieht. Wir müssen über eine Abschrankung klettern, um auf die Strasse zu gelangen. Mit Nikki gehe ich planlos ein wenig durch den Ort, dabei entdecke ich das Einkaufszentrum PLUS. Das Angebot an Lebensmittel ist unerschöpflich. Am Abend sing Felix seine Lieblingslieder und spielt dazu auf der Laute.

Wir schliessen uns am Morgen hinter dem Frachter Waterman an, passieren eine Brücke und eine Schleusen mit ihm. Berufsschiffe lässt man nicht warten. Leider biegt er ab. Im Boven-Merwede (ein Teil des Rheins) sind die Berufsschiffe bis zu 20 km/h unterwegs. Ein Schubverband aus vier zusammengekoppelten Pontons setzt zum Überholen an. Die Hektik auf der Waal (ein Teil des Rheins) hatten wir im 2018 erlebt.

Die Route setzt sich wiederum aus verschieden Abschnitten zusammen bis wir den Fluss Dieze erreichen, der zur Hauptstadt `t-Hertogenbosch von der Provinz Noord-Brabant fliesst.
Angekommen in der Stadt, suchen wir den Watersporthaven auf. Der sieht so trist aus, dass wir gleich wenden und den W.S.V. Vikinghaven am Stadtrand aufsuchen. Nach der Anmeldung bringt Felix bei Windböen das Boot sicher neben das alte und verwitterte Boot mit den Blumenkisten.
Mit dem Fahrrad erreichen wir in 15 Minuten die Innenstadt von `t-Hertogenbosch. Sie ist in Dreiecksform angelegt und ebenfalls der Markt, von dem drei breite Strassen wegführen und autofrei sind.
Sollen wir uns neu einkleiden in all den hübschen Geschäften? Die Auswahl überfordert uns. Wir besuchen lieber die St. Janskathedraal, das kunsthistorische Juwel der Stadt. Sie gilt als das grösste Kirchengebäude der Niederlande. Ihr romanischer Bau beeindruckt durch besonders reich verzierte Ornamente. Erst im lichtdurchfluteten Inneren wird das gewaltige Ausmass der Kirche wirklich spürbar.

Wir vertiefen uns im Design Den Bosch Museum in die Themen

«Frauen als Technologie»
Die Ausstellung umfasst mehr als 200 Exponate und macht deutlich, dass Technik keineswegs neutral ist. Vielmehr spiegelt sie häufig bestehende gesellschaftliche Vorstellungen wider, insbesondere in Bezug auf Frauen.

«Alle Zeit der Welt».
Die Zeit wird stets von gesellschaftlichen, kulturellen und technischen Entwicklungen beeinflusst. Wie wir Zeit messen und erleben, verändert sich im Lauf der Geschichte und spiegelt aktuelle Werte und Normen wider.
Das Noordbrabants Museum befindet sich im eleganten Gouverneurspalast aus dem 18. Jahrhundert, das wir heute besuchen. Zuerst zieht es uns zu den Werken von Vincent van Gogh und van Gogh`Gordina Später entdecken wir die Kunst vom 16. bis zum 19. Jahrhundert. Besonders die Gemälde mit üppigen Blumensträussen begeistern uns. Von Jan Sluijters, dem niederländischen Künstler, bestaunen wir die Kinderporträts, bevor wir eine kleine Pause einlegen. Die Sonderausstellung zum Thema Sport ist originell gestaltet: Bei jeder Sportart gibt es Holzgeräte, an denen Besucher*innen selbst aktiv werden können. Die Werke von Magdalena Abakanowicz beeindrucken uns nachhaltig. Zum Abschluss tauchen wir noch in die „Story of Brabant“ ein. Wir verbringen viele Stunden im Museum – und keine Minute davon ist langweilig.

Die Bossche bol ist eine traditionelle Süssspeise, die ihren Ursprung in der Stadt ’s-Hertogenbosch (kurz: Den Bosch) hat. Sie besteht aus einem grossen, luftigen Brandteigball, der mit reichlich Schlagsahne gefüllt ist. Aussen wird die Bossche bol mit einer dicken Schicht aus dunkler, glänzender Schokoladenglasur überzogen. Absolut lecker!
Die Stadt ’s-Hertogenbosch, die im Volksmund meist Den Bosch genannt wird, verdankt ihren Namen dem Wald des Herzogs“. Das „’s“ steht dabei für „des“ und verweist auf die Zugehörigkeit zum Herzog. Bereits im Jahr 1185 verlieh Herzog Heinrich I. von Brabant der Stadt das Stadtrecht.
Wir müssen die Stadt `s-Hertogenbosch mit dem Boot grosszügig umfahren, weil der Diezekanaal gesperrt ist. Wie auf dem Hinweg steuern wir auf der Dietze zur Henriettesluis. Sie wird erst geschlossen, wenn sie voller Sportboote ist. Felix zählt 14 Boote. Nach 1,5 Stunden ist der Schleusengang endlich durch.

Die Watercardnavigation leitet uns durch diverse Kanäle und Flussabschnitte bis wir in den Willemsvaart gelangen. Sechs Schleuse befinden sich auf der Route. Nach der Letzten biegen wir in einen stillgelegten Kanalarm und legen an bei der Ortschaft de Aalre Rixtel in der Nähe der Stadt Beek en Donk. Das regenreiche Wochenende verbringen wir mit Lesen, Schreiben und Jassen und gucken das Finale der Frauen-Fussball EM.

Bis Massbracht fahren wir in verschiedenen Kanälen und passieren insgesamt fünf Schleusen. Um die lange, eher eintönige Strecke sinnvoll zu nutzen, wollte ich eigentlich die Wäsche in der Bordwaschmaschine erledigen. Doch kaum ist der Generator gestartet, fällt uns dichter schwarzer Rauch beim Auslass auf . Ich schalte den Generator schleunigst ab. Irgendetwas stimmt hier ganz und gar nicht! Die nasse Wäsche bleibt vorerst in der Trommel liegen.

Der Passantenhafen in Maasbracht bietet keine Infrastruktur. Also bleibt die nasse Wäsche weiterhin in der Trommel liegen.

Am nächsten Tag findet Felix dank der Unterstützung des Nachbarn im Hafen rasch einen Mechaniker für die Reparatur des Generators. Das Laufrad der Wasserpumpe ist defekt und wird ersetzt. Vermutlich wurde es trotz des Auftrages im Winter nicht ausgewechselt. Am Abend hänge ich die saubere Wäsche im Boot auf.
MY De Swel ist wieder fit. Wir entfliehen nach zwei Nächten dem sterilen Hafen. Zuerst geht es im Julianakanaal weiter dann in der afgesnedenen Maas bis zur grosse Stadt Roermond in der Provinz Limburg (über 56’000 Einwohner) und legen im RWV Nautilus (Haven) an. Unser Sohn Boris trifft mit seiner Familie ein. Ein paar Tage werden sie an Bord bleiben. Weil es ständig regnet, nehmen wir nur einen kurzen Augenschein von der Innenstadt.
In Begleitung des Regens schreiten wir durch das Designer-Outlet Roermond, welches auf einer Verkaufsfläche von 46.700 Quadratmetern und in 185 Geschäften Markenartikel anbietet. Das Outlet ist an 363 Tagen offen und zieht jährlich rund 4,6 Mio. Kauffreudige an. Die unglaubliche Auswahl ist verlockend. In den Shops werden Tasche um Tasche gefüllt.
Die Fahrt auf der Maas wäre wirklich ein Erlebnis, wenn die Sonne sich zeigen würde. Im Stadthafen Venlo, vor imposanten Kulisse, bleiben wir für eine Nacht. Es fühlt sich beinahe so an, als hätten wir in einer Metropole festgemacht. Der Hafen, 2011 erbaut, hat keine Infrastruktur. Fährt ein Frachter auf der Maas vorbei, entsteht ein heftiger Sog im Hafen. Die Boote krängen. Dies ist unangenehm.

Venlo befindet sich in der Provinz Limburg, direkt an der deutschen Grenze nahe Nordrhein-Westfalen. Etwa 100.000 Einwohner leben hier. Sie ist der Standort von wichtigen Industriebetrieben und internationalen Handelsniederlassungen. Der Maasboulevard, da unser Boot liegt, ist ein beliebter Treffpunkt. Die Stadt zieht viele deutsche Tagesbesucher an, besonders wegen günstiger Einkaufsmöglichkeiten.
Die Besichtigung des Stadtzentrums fällt kurz aus. Wir müssen immer wieder Schutz vorm Regen suchen. Wir schaffen es dennoch zum historischen Rathaus und zu den Verkaufsläden.

Am Abend bricht die graue Decke am Himmel auf. Felix und ich geniessen die letzten Sonnenstrahlen im Hafenrestaurant.
Sind fünf Personen auf dem Boot, leeren sich die Wassertanks schnell. Deshalb ist eine gute Infrastruktur vonnöten. Am liebsten würden wir drei Tage am Leukermeer verbringen, wie damals im Jahr 2018. Felix erkundigt sich bei zwei Yachthafen. Sie sind bis auf weiteres voll besetzt.
Weiterfahrt auf der Maas in ihren naturbelassenen Flussbett.

Beim Industriehafen Wanssum biegen wir ab in den kleinen Yachthafen Wanssum.

Der Yachthafen bietet alles, was für einen angenehmen Aufenthalt nötig ist. Das Boot liegt direkt an der Kaimauer, was das Aus- und Einsteigen besonders bequem macht. Der Supermarkt Albert Heijn befindet sich gleich gegenüber. Ein Spielplatz sowie ein Schwimmbad sind in wenigen Gehminuten erreichbar.

Die Umgebung von Wanssum lädt zu ausgedehnten Wanderungen und Fahrradtouren ein.

In den letzten Jahren hat sich Wanssum stark gewandelt. Der Jachthafen, das Zentrum des Dorfes und die Strassen wurden umfassend erneuert. Die roten Backsteinhäuser und ihre Vorgärten wirken gepflegt.

Die Auszeit vom Wasserwandern ist bendet. Wir kehren zurück zur Mass. Die Buhnen schützen das natürliche Ufer der Maas vor starkem Wellenschlag. Das Bord bricht durch Erosionen stückweise ab. Die Pflanzen überwuchern es nach und nach. 2018 haben wir uns intensiv mit der Renaturierung befasst.

Nach einer guten Stunde auf der Maas erreichen wir eine Schleuse, die wahrlich ein technisches Meisterwerk ist. Sie hat drei Schleusenkammern von je 145 Metern. Zwei besetzen die Frachter und die dritte die Sportboote. Nochmals eine Stunde auf der Mass und wir biegen ab in den Mockerplas (kleiner See) und erreichen den Jachthaven Eldorado. Hier liegen mondäne Jachten. Unsere Gäste verlassen uns und fahren zu einem Familienresort an die Nordsee.

Übrigens:
Wäre das niederländische Parlament mit der Ehe zwischen König Willem-Alexander und Máxima nicht einverstanden gewesen, hätte der König auf den Thron verzichtet. Die Hochzeit galt als widersprüchlich, da Máximas Vater der argentinischen Videla-Diktatur angehörte.