07. bis 22. Juni

Ohne Stau und Unfall kommen wir mit dem Auto nach 830 Kilometer in Sneek an, wo unser Boot im Yachtcharter Marrenvloot bei der Werft Aquanaut liegt. Sneek ist die zweitgrösste Stadt Frieslands und liegt inmitten des friesischen Seengebiets. Über das Pfingstwochenende fegt ein Regenschauer nach dem anderen übers Land. Dazu bläst heftiger Wind. Bis alles am Boot erledigt ist und die Speisekammer gefüllt ist, bleiben wir eine Weile im Yachtcharter. Wir treffen drei Paare aus der Schweiz an, deren Boote ebenfalls in Sneek liegen.

Wahrzeichen von Sneek: Das Wassertor, aus dem Jahr 1613, dem einzigen Überrest im 18.Jh. geschleiften Stadtumwallung.

Endlich, am Freitag, den 13. Juni bei strahlendem Sommerwetter starten wir die 10. Reise auf Europas Wasserstrassen. Zuerst fahren wir durch das Wite Brekken, überqueren den starkbefahrenen Prinses Margrietkaanal, weiter im Langwarder Feart zum Langwaerder Wielen (kleiner See) und legen im Passantenhafen Langweer an. Uns fällt der grosse Schwan bei der Einfahrt auf.

Die Nähe zum Wasser, die für Langweer typisch ist, lassen den Schwan als passendes Symbol erscheinen. Er ist im Dorfwappen enthalten. Sogar die Kirche aus dem Jahr 1777 hat auf ihrem Turm einen Schwan anstelle eines Hahns. Wir begegnen dem Schwan in verschiedenen Formen.

Zum ersten Mal dürfen unsere grossen Aluräder mit. Sie sind im Bug platziert. Sie bieten uns neu die Möglichkeit das Landinnere zu erkunden.

Das probieren wir am nächsten Tag gleich aus bei einer Radtour bis zum Dorf Sint Nicolaasga und zurück. Das praktische Navigations App Komoot weist uns den Weg. Am Sonntag unternehme ich eine weitere Radtour rund um das Tsjûkemar, während Felix bei Nikki an Bord bleibt. Die flache Landschaft ist geprägt von weiten Wiesen und grossen Kuhherden.

Radrennfahrer, die mich überholen oder begegnen, grüssen mich freundlich. Die Route erweist sich als abwechslungsreich. Nach 40 Kilometern erreiche ich schliesslich das Dorf Langweer wieder. 

Felix zieht es zu einer Marrekrite. Auf einer kleinen Insel in der Nähe von Heeg legen wir an und bleiben eine Nacht. Es ist geplant, nach Workum und weiter nach Amsterdam zu reisen. Nach gründlicher Überlegung beschliessen wir, jetzt Offerten für die Ganzlackierung des Bootes einzuholen und nicht erst im Herbst vor unserer Heimkehr. Deshalb geht es zurück nach Sneek in den Marinaveste Campevaer. Zwei Yachtmaler treffen nacheinander ein. Den Nächsten erwarten wir in Grouw, weil er keine Zeit hat, von Leeuwarden mit dem Auto nach Sneek zu fahren. Wir müssen ihm sogar auf halber Strecke entgegenkommen und das bei einem möglich lukrativen Auftrag. Es gibt Situationen, die manchmal für uns nicht verständlich sind.

Begegnungsstrasse in Grouw, am Morgen

Die selbstgestellte Aufgabe ist gelöst. Mit Spannung warten wir auf die Offerten. Unser nächstes Ziel ist Heeg das Aaldorf am Hegemer Mar.

vollbelegter Passantenhaven Heegerwal

Heeg ist ein altes Fischerdorf, das ursprünglich an der damals offenen und flachen Bucht der Nordsee lag. Die Bucht wurde Zuidersee genannt. Aalfang und Aale lebend nach England zu transportieren, prägten das Dorf. Drei markante Wahrzeichen suchen wir auf.

Anne Wiegers Visser (1718–1787), Aalschipper und Kaumann, liess das weissgetünchte Haus bauen. Es trug den Namen „Siet U Selfs“. Viele kennen es als „Het Kapiteinshuisje“. Von 1731 bis 1938 florierte der Aalhandel zwischen London und Heeg, der von der Familie Visser dominiert wurde.

In der Strasse De Skating und umgeben von Bäumen befindet sich die Villa Romsicht (freie Aussicht). Im Hegmer-Volksmund  wird sie „die Villa“ genannt. Das denkmalgeschützte Gebäude wurde 1904 von einem Architekten aus Sneek im Neo-Renaissance-Stil mit Dekorationen im Jugendstil entworfen. Der Aalhändler Jan Annes Visser liess die Villa für sich bauen und lebte dort bis 1961.

Aufgrund dieser Geschichte trägt das Wappen von Heeg  einen Aal. Um die Erinnerung an den Aalexport wachzuhalten, wurde im Jahr 2009 eine Rekonstruktion eines friesischen Segelbootes vom Typ Tjalk gebaut, das einst von Heeg nach London segelte, beladen mit lebenden Aalen.

Wieder mit dem Fahrrad unterwegs.

Ausfahrt Passantenhaven Heegerwal: Mannschaften bereiten ihre Plattbodenschiffe vor für ein Wettsegeln.

Das Wochenende verbringen wir bei angenehmen Sommerwetter in einer Marrekrite zwischen dem Sânmar und Grutte Gaastmar.

Übrigens!
Friesland hat ein eigenes Nationalgetränk: den Beerenburg, einen herben Kräuterbitter. Friesland ist die einzige Provinz in Niederlande mit einer offiziellen Zweitsprache. Von fast 660’000 Friesen sprechen noch rund 440’000 Frysk, eine westgermanische Sprache, die mehr mit dem Englischen gemein hat als mit dem Niederländischen oder dem Deutschen. Friesland hat auch eine eigene anerkannte Flagge. Sie setzt sich aus vier blauen und drei weissen Schrägstreifen und sieben roten Blätter zusammen. Sie stellen die Blätter von Seerosen dar, also keine Herzen!