Bei der Durchsicht der Blogeinträge 2017 ist mir aufgefallen, dass ich über die Ziegelindustrie in Zehdenick nichts schrieb, wahrscheinlich aus Zeitmangel und kein Internetzugang. Das wird jetzt nachgeholt. 

Die Geschichte des grössten Ziegelrevier Europas begann 1887. Bei Brückenarbeiten der Eisenbahnlinie Löwenberg – Templin bei der Stadt Zehdenick fiel einem jungen Ingenieur der tonhaltige Boden von guter Qualität auf. Er meldete seine Entdeckung seinem Onkel, welcher sofort 30 Morgen Wiese kaufte. Pro morgen zahlte er 300 Markt. Innert kürzester Zeit kamen viele Landbesitzer durch die Bodenspekulation zum Reichtum. Es herrschte Goldgräberstimmung in Zehdenick und Umgebung, ausgelöst vom Bauboom und Gründerzeit Berlins. Von 1870 bis 1920 war eine gewaltige Nachfrage von Ziegeln, die nur durch industrielle Herstellung gedeckt werden konnte. Ziegeleien an der Havel entstanden. Neun Jahre nach der Entdeckung des Tons produzierten in Zehdenick und Umgebung 23 Ziegeleien mit 25 Ringöfen. In der Blütezeit um 1910 gab es 63 Ringöfen, die pro Jahr 625 Millionen Steine produzierten. 6000 Ziegelarbeiter waren beschäftigt. Frauen und Kinder halfen bei der Herstellung mit. Die Arbeit war körperlich streng und schlecht belöhnt. 

Vor dem 1. Weltkrieg brach die Bautätigkeit in Berlin zusammen. Die Zehdenicker Ziegeleien mussten ihre Produktion einstellen. In der Nachkriegszeit kam die Produktion nur zögerlich wieder in Gang. 42 Ringöfen nahmen den Betrieb auf. Um dem Konkurrenzkampf die Stirn zu bieten, wurde die Herstellung der Ziegel mechanisiert und automatisiert. Die Handstreicher blieben.

Mehrere Ziegeleien gehörten jüdischen Unternehmern. Im 2. Weltkrieg wurden sie im Zuge der sogenannten «Arisierung» enteignet. In den Kriegswirren brach die Nachfrage an Ziegelsteinen ein. Die stillgelegten Ringöfen und Trockenschuppen wurden von der Wehrmacht und SS zweckentfremdet. Sie dienten als bombensichere Lagerräume für Rohstoffen, Halbfertigfabrikate der Rüstungsindustrie und Erzeugnisse der Heinkel-Flugzeugwerke Oranienburg. 

Nach der Gründung DDR wurden die meisten Ziegelbetriebe verstaatlich. Die Tonvorräte gingen zur Neige. Dies führte zu Schliessungen. Die Wende leitete das Ende der traditionellen Ziegelindustrie ein. Im Frühling 1991 erlosch für immer das letzte Feuer der Ringöfen.

An der Havel entlang von Zehdenick bis Marienthal entstanden über 30 kleine Tonstichseen. Sie tragen den Namen des ehemaligen Besitzers oder der Ziegelei.