Kronborg Slot wird seit 600 Jahren genutzt. Die Zeit hat viele Veränderungen mit sich gebracht: von einer Festung (1400) zu einem königlichen Schloss (Aufbau 1574 – 1585) zu einer Militärkaserne (1785 – 1922) und zum heutigen UNESCO-Weltkulturerbe.
Das Äussere des Schlosses ist, wie zu Zeiten Frederiks II., aber das Innere soll sich drastisch verändert haben. Wir wollen dies mit eigenen Augen sehen.
Die Räume wirken kahl und leer, überhaupt nicht nach einem königlichen Domizil. Die jetzigen Möbel stammen nicht ursprünglich aus Kronborg, sondern wurden nach der Restaurierung 1936 erworben, um die leeren Säle auszustatten. Aber sie sind in einer Qualität und in einem Alter, das zu den Einrichtungen im 18. Jh. passt. Ich bin eine Spur enttäuscht, denn der königliche Prunk fehlt mir.
Wir wandeln in den Räumen von Frederik V., der das Vergnügen liebte. Er war nicht hochgebildet, gesundheitlich angeschlagen. Es fehlte ihm an sozialer Kompetenz. Bernstorff und Moltke regierten das Land und verdeckten das überschwängliche Leben des Königs. Sie liessen äusserlich alles perfekt erscheinen.
Der Ballsaal war der grösste in ganz Nordeuropa mit einer länge von 62 m und 11 m Breite. Die Banketts in Kronberg waren bekannt für ihre verschwenderische Pracht. Gäste kamen von fern und nah, um ihre neusten Kleider in Goldbrokat und Seidensamt zu präsentieren. Für Unterhaltung sorgten Akrobaten, Schauspieler, Musiker und Zauberer. In der Mitte des Saals bewegten sich die Durchlauchten in Kettentänzen.
Wir steigen vom 2. Obergeschoss des Königsschlosses hinunter und öffnen die Türe zur Kronberg-Kapelle. Die beiden ältesten Töchter des Königspaares Frederik V. und Louise heirateten hier.
Die Renaissanceausstattung mit kunstvollen Holzschnitzereien deutscher Meister ist eine wahre Pracht. Zum Glück blieb sie vom Burgbrand 1629 verschont. Zur Zeit des Militärs wurde die Kapelle ausgeräumt, um Platz für Munition, Vergnügen und Turnübungen zu schaffen. 1840 wurde Kapelle restauriert und die Einrichtung zurückgeholt.
Eine steinerne Treppe führt in die Kasematten unter dem Schloss. Die Gänge sind mit Petroleumlampen spärlich beleuchtet. Pfeile weisen einen den Weg. Ansonsten hätten wir mühe den Ausgang zu finden. In Kriegszeiten boten die feuchten Räume Platz für bis zu 350 Mann und genügend Vorräte für eine sechswöchige Belagerung.
In einer dunklen Ecke schlummert ein stattlicher Krieger. Es ist Dänemarks Nationalheld Holger Danske. Der Legende nach wacht er erst auf und greift nach seinem Schwert, wenn Dänemark bedroht wird. Die wichtigste Widerstandsgruppe im Zweiten Weltkrieg benannte sich nach ihm. Hans Christian Andersen packte die Legende Holger der Däne 1862 in ein Märchen.
Kanonen um 1760 gegossen bewachen Kronborg zum Öresund hin. Sie werden noch heute eingesetzt – für Salutschüsse zu königlichen Feierlichkeiten. Gestern hörten wir drei Schüsse.
Die Neugierde über das Innenleben des Kronborgs ist gestillt. Morgen werden wir Dänemark verlassen. Der schwedische Stander wird in Zukunft am Boot flattern.